Funktionelles Bauchmuskeltraining
Seit Jahrzehnten hat besonders das Bauchmuskeltraining einen großen Stellenwert im Krafttraining, sowohl im Fitness- als auch im Leistungssport. Die einen erwarten sich ein gezieltes Training des berühmten Waschbrettbauchs, die anderen eine entsprechende Muskelkräftigung, um für den Alltag oder Ihre Sportart gerüstet zu sein bzw. um Rückenschmerzen vorzubeugen oder gar zu beheben. Lumbale Rückenschmerzen resultieren nämlich sehr häufig durch schwache Bauchmuskeln, die nicht in der Lage sind die Lendenlordose ausreichend zu stabilisieren, sodass es zu einer Hyperlordose kommt, landläufig auch als „Hohlkreuz“ bekannt. Jahrelang galten Übungen wie Crunches, Sit ups oder div. Übungen an Maschinen (z.B. Abdominal Crunch) als Maß der Dinge. Doch Sichtweißen verändern sich und somit auch die aktuellen Empfehlungen zur Thematik. In den folgenden Zeilen wollen wir daher das funktionelle Bauchtraining näher beleuchten, mit dem Wissen, dass für eine entsprechende Rumpfstabilität bzw. Rumpfkraft selbstverständlich auch laterale (seitliche) und dorsale (rückenseitige) Rumpfübungen bedingungslos zu einem ausgewogenen Trainingsprogramm gehören.
Zunächst aber einige Mythen zum Thema Bauchtraining.
Der erste (leider) ist immer noch allgegenwärtige ist, dass man mit Bauchübungen oder entsprechenden Trainingsgeräten lokal Fett, das über den Bauchmuskeln gespeichert ist, zum Schwinden bringen kann, was aus wissenschaftlicher Sicht aber völlig unhaltbar ist! Erstens wird während der Belastung kein Fett verbrannt, sondern Zucker (bzw. Glucose), zweitens gibt es keine lokale Fettverbrennung (der Körper mobilisiert zunächst die Fettspeicher in der Muskulatur, dann gleichmäßig ALLE Depots des Unterhautfettgewebes) und drittens ist der Energieverbrauch, den Sie beispielsweiße durch 2-3 Serien zu je 20-25 Wiederholungen irgendeiner Bauchübung, womöglich noch mit niedrigem Widerstand (Gewiht) erzielen einfach lächerlich gering.
Ein weiterer mittlerweile zentraler Aspekt ist die angesprochene Funktionalität von Bauchmuskelübungen. Generationen von SportlerInnen waren bzw. sind der Meinung, dass Übungen wie Crunches sinnvoll bzw. gerechtfertigt seien. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse gelangen jedoch zur gegenteiligen Auffassung. Zum einen konnte nachgewiessen werden, dass Übungen im Liegen, bei denen widerholte Beugungen im Oberkörper durchgeführt werden (wie die angesprochenen Crunches) zu Bandscheibenschäden führen können (vgl. McGill S, 2007). Zum anderen haben die Bauchmuskeln primär die Funktion die Wirbelsäule und das Becken zu stabilisieren, sodass eine Hohlkreuzbildung bzw. eine seitliches Beckenkippen verhindert wird. Unter Rumpfstabilität versteht man nämlich, dass sich Beine und Arme bewegen können, ohne dass es dabei zu kompensierenden Bewegungen in der Wirbelsäule oder Becken kommt (vgl. Boyle M, 2011, 67). Bewegungen, wie das Rumpfaufrichten aus dem Liegen kommen im Alltag und im Sport so auch nicht vor, es sei denn sie wollen sich unbedingt so aus dem Bett oder dem Sofa aufrichten, was aber jedem rückengerechten Verhalten widerspricht! Worum geht es also? Die Bauchmuskulatur hat im Alltag und Sport daher in erster Line Haltefunktion bzw. statische Arbeit zu leisten. Dementsprechend sind Übungen, die die Verbesserung der statischen Kraft bewirken klar zu bevorzugen.
Welche Bauchmuskelübungen für eine Muskelkräftigung?
Im folgenden stelle ich drei Übungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade vor. Sollten Sie die erste Übung nicht mindestens 60 Sekunden absolvieren können, macht es keinen Sinn mit der nächst schwierigeren zu beginnen! Jede Übung sollte ausgehend von 20-30 Sekunden allmählich (im Verlaufe von Wochen) auf bis auf 60 Sekunden gesteigert werden, bevor zur nächst schwierigeren Übung übergegangen wird. Idealerweisse führen sie die Übung 2 x pro Woche durch; Täglich ist sinnlos bzw. kontraproduktiv, weil die Muskulatur bei Anfängern mindestens 2-3 Tage zur vollständigen Regeneration benötigt!
Die Übung der ersten Stufe ist der ventrale Ellbogenstütz mit abwechselndem, leichtem und langsam ausgeführtem Beinheben (1-2 Sek. pro Hebung, nicht höher als abgebildet). Dabei werden nicht nur die geraden, sondern auch die seitlichen bzw. schrägen Bauchmuskel gekräftigt, die das Abkippen des Beckens verhindern. Gleichzeitig werden durch das Beinheben auch die Hüftstrecker (allen voran die Gesäßmuskeln) gekräftigt.
Die Übung der 2. Stufe fällt bereits in die Kategorie instabil. Instabiles Rumpfstabilisationstraining ist deutlich wirkungsvoller, wie eine vor kurzem veröffentlichte Studie eindrucksvoll nachweißen konnte (Riegler/Stöggl, Leistungssport 20, 2014). Während die SportlerInnen der stabilen Gruppe (Übung Stufe 1) nur Kraftzuwächse im unteren einstelligen Bereich erzielen konnten, legten diejenigen, die die instabilen Übungen durchführten (es wurden insgesamt vier Rumpfstabilisationsübungen untersucht), allesamt im zweistelligen Bereich zu (bei der unten dargestellten Übung waren es exakt 26 Prozent im Zeitraum von nur 6 Wochen bei zweimalig wöchentlichem Training. Für Anfänger sind sogar noch höhere Zuwächse zu erwarten, weil bei trainierten SportlerInnen erfahrungsgemäß kleinere Leistungssteigerungen zu erwarten sind.
Die dargestellte Übung wird mit einem sogenannten Schlingentrainer durchgeführt, alternativ kann auch ein kleiner Gymnastikball verwendet werden. Beachte: Nur ein Bein ist in der/den Schlingen, das andere frei bzw. wird langsam auf und ab bewegt!
Die Übung der 3. Stufe ist nur für wirklich sehr Fortgeschrittene zu empfehlen und sollte keinesfalls zu früh begonnen werden, erfordert sie doch eine bereits ausgezeichnete Rumpfstabilität. Hierbei wird der diagonale Arm bis fast auf Kopfhöhe angehoben, während das freie Bein wie bei der Übung 2 leicht auf/ab gesenkt oder auch nur gehalten wird.
Wem das noch zu wenig ist kann selbstverständlich weitere Variationen ins Spiel bringen, wobei es nie um eine Maximierung der Rumpfstabilität geht, sondern immer nur um eine Optimierung. Was optimal für die jeweilige Sportart oder einfach nur für Fitnessbelange ist, kann beispielsweisse durch den Swiss Olympic Grundkrafttest Rumpf überprüft werden (vgl. www.swissolympic.ch), wobei für ein Fitnesslevel die Übung der Stufe 2 mit einer Haltedauer von je 40-60 Sek. pro Seite völlig ausreichend ist.
Viel Spaß und Erfolg beim Üben wünscht Ihnen Ihr Mag. Romuald Schönfeld (www.sport-vital.cc)
Martina
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Sport ist in Zeiten monotoner Arbeit ein entscheidender Teil unseres Lebens geworden, wir sollten uns allerdings mehr bewegen, finde ich, denn vor allem die Beweglichkeit der Sehnen und Gelenke leidet heute stärker denn je.
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Martin
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Ein sehr guter Artikel !
Was mir sehr gut gefallen hat in dem Artikel, war, dass man auch auf den weit verbreiteten Mythos eingegangen ist, dass man durch Bauchübungen, gezielt Fett verlieren kann, was aber definitiv nicht der Wahrheit entspricht. Außerdem haben mir die Übungen mit den unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sehr gefallen, weil sie leicht verständlich erklärt wurden. Die Bilder haben auch sehr geholfen. Danke für diesen tollen Artikel und macht Macht weiter so! Mit besten Grüßen Das Team von Sixpack!
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Sebastian
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Wow! Super Erklärung zum Thema Bauchmuskeln. Sehr gut wissenschaftlich belegt 🙂
Der Mythos, das man mit Bauchtraining Fett am Bauch wegtrainiert hält sich hartnäckig. Danke für deine Aufklärung. Wenn jemand abnehmen möchte, dann sollte man sich mehr auf das Ausdauertraining fokussieren wie Laufen, Fahrrad fahren, Crosstrainer usw.
Nicht falsch verstehen. Regelmäßiges Krafttraining ist trotzdem super wichtig. Insbesondere auch das Bauchtraining. Um im Alltag fit zu bleiben sollte man aber seine Rückenpartie auch nicht vergessen. Denn Bauch und Rücken sind ein Team. Darum auch regelmäßig Rückenübungen in das Training einbauen.
Viele Grüße
Sebastian
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Melissa
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Hey, das Bauchmuskeltraining ist sehr toll…Allerdings sind Bauchmuskel wohl die schwersten Muskeln, um diese „sichtbar“ zu machen. Ein richtigen „Sixpack“ wird man NUR durch die richtige Ernährung bekommen, stimmt die Ernährung nicht, so kann man trainieren wie man möchte, die Muskeln werden einfach nicht „sichtbar“…. !
Sportliche-Grüße aus Köln MELISSA
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