Tanzen in Österreich – Patrick Grigo
Patrick Grigo, Tänzer, Choreograph und Tanzpädagoge im Interview. Er beantwortet Fragen über seinen Werdegang zum Profitänzer, wie es ist jahrelang für seinen Traum zu kämpfen um dann den Durchbruch zu schaffen. Welchen Stellenwert Tanzen in unserer Gesellschaft hat und wie sich dieser Sport entwickelt. Außerdem hat er einen persönlichen Rat für interessierte Kinder / Erwachsene.
der-sport-blog.com: Ist es richtig, dass Hausarrest und R.J. aus dem Film Karate Tiger dich zum Tanzen brachten? Wie kam es dazu, dass du dich als Junge klar für das Tanzen entschieden hast?
Patrick Grigo: Ja, dass ist richtig. Hausarrest war mein Türöffner und durch den Tanz habe ich das erste Mal in meinem Leben etwas über mich selbst gelernt. Bevor ich getanzt habe, galt meine ganze Leidenschaft dem Fußball spielen, jedoch war ich dort schnell an vielen Grenzen. Fußball ist ein Teamsport und wenn nicht alle den gleichen Traum haben, dann kann man nicht viel bewegen. Beim Tanzen war das alles anders. Nicht nur, dass es keine Grenzen und Regeln gab, es war auch das erste Mal das ich meine Emotionen in Verbindung mit meiner Lieblingsmusik ausleben konnte und dadurch blühte ich förmlich auf – ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Teamfähigkeit ist trotz alledem auch beim Tanzen wichtig und hat, finde ich, sogar noch mehr Tiefe als beim Fußball, sie besitzt mehr Individualität, Kreativität und Freiraum.
der-sport-blog.com: Welchen Tanzstil praktizierst du?
Patrick Grigo: Tanz ist für mich universell – ich kann nicht genau sagen, was ich alles tanze. Normalerweise bewege ich mich im Bereich der Urban Dance Styles, die Meisten kennen das unter dem Namen Hip Hop. Begonnen habe ich mit B-Boying (Breakin) und habe dann auch meine ersten Erfahrungen in Sachen Locking und Popping gesammelt. Dazu kam Modern, Ballett und auch etwas Jazz Dance. Um meinen Emotionen und Gefühlen Ausdruck zu verleihen habe ich mehr und mehr mit Newstyle und lyrischen Bewegungsabläufen begonnen. Später habe ich dann durch meine Tanzforschung mehr über Social Dances und Hype sowie seit knapp 2 Jahren über House Dance gelernt. Mein größtes Interesse gilt jedoch der Musikinterpretation und das ist absolut übergreifend. Wenn ich Tanz unterrichte, achte ich schon sehr genau darauf, dass ich vor allem über verschiedene Zugänge spreche und die Menschen mit „allem“ was man zu den einzelnen Techniken und Stilen wissen sollte und was ich weiß konfrontierte. Wenn ich auf der Bühne stehe, nutze ich alle Elemente und versuche mich damit auszudrücken und der Musik die optimale Bewegungsqualität zu schenken.
der-sport-blog.com: Wie war es für dich jahrelang für deinen Traum zu kämpfen, den sicheren Job zu kündigen und viel Zeit und Geld zu investieren um dann durch den Gewinn der Europa- und Weltmeisterschaften 2004 den Durchbruch zu schaffen?
Patrick Grigo: Erstmal danke für diese Frage! Für die meisten Menschen ist ein Traum nichts Reelles und sie wissen, dass es für immer ein Traum bleiben wird. Wir Menschen werden in der Regel dazu erzogen, dass wir unsere Träume ablegen und dem System folgen. Ich habe bereits für mich selbst sehr früh erkannt, dass ich das auf gar keinen Fall möchte. Ich kann auch nicht genau sagen, wie mein Traum aussieht – es sind viele Bilder und manchmal ergibt alles ein Gesamtbild und dann ist es wieder sehr verschwommen. Es entwickelt sich eben alles weiter, auch meine Träume. Der größte Feind unserer Träume ist die Sicherheit oder wie viele auch sagen, deine persönliche Absicherung im Leben. Für mich persönlich ist ganz klar – es gibt keine Sicherheit. Man kann nur so leben wie man ist und etwas aus dem machen, was man kann. Was gestern war und heute ist, kann morgen schon wieder ganz anders sein. Ich lebe jeden Tag als wäre es mein Letzter und vergeude meine Zeit nicht mit Dingen, die mir keinen Spaß machen oder mich nicht weiter bringen. Geld ist dabei ein Mittel zum Zweck aber niemals der Antrieb. Ich habe meinen inneren Antrieb und den habe ich bereits seit dem ich denken kann! Wenn ich ehrlich bin war mein Durchbruch nicht der Gewinn einer Meisterschaft, sondern die Tatsache, dass ich es geschafft habe, mich selbst zu verwirklichen. Der Gewinn von Meisterschaften und Battles, Engagements und Shows, Workshops, Vorbildfunktion für junge Menschen, Fans, Sponsoren – all das sind Möglichkeiten und Optionen, die Du selbst für Dich wählen musst und über die Du Dir im Klaren sein solltest. Eine Meisterschaft im Tanzen ist nach all den Jahren für mich persönlich nicht mal halb so viel wert wie Menschen zu erreichen. Da hast Du Dich gut vorbereitet und bist zu 100% fit und gewinnst, weil ein Juror Dich besser findet als den anderen Tänzern. Im Jahr drauf ist es dann vielleicht sogar umgedreht weil auch der Juror sein Weltbild geändert hat. Das Publikum erreichst Du jedoch immer mit Deiner Art und Weise und Deiner Emotion. Solche Dinge muss man für sich selbst richtig einschätzen können und ganz klar für sich selbst auch als Werbeplattform nutzen – das war’s. Ich persönlich mache an solchen Dingen nicht viel fest. Fakt ist im Leben muss man Dinge tun, die an der Zeit sind – so wie Kolumbus sagte als er Amerika entdeckte: „Ihr habt es versucht und ich habe es gemacht!“
der-sport-blog.com: Wie bekannt/beliebt ist Tanzen? Wie groß ist die Nachfrage? Siehst du einen Trend nach oben? Gibt es nationale/internationale Unterschiede?
Patrick Grigo: Der Tanz im Allgemeinen ist groß geworden und vor allem der urbane Tanz erfreut sich einer zunehmenden Beliebtheit und Euphorie. Schaut man sich allein TV-Shows oder Musikvideos an sieht man wie stark die Medien vom urbanen Tanz geprägt sind. Die Nachfrage ist riesig. Rein wirtschaftlich und unternehmerisch ist der Markt jedoch ganz schlecht strukturiert und steht in vielen Bereichen eigentlich vor dem aus. Es gibt keine qualifizierten Ausbildungsprogramme, keine staatliche Anerkennung und vermehrt Leute, die durch willkürliches Handeln den entstandenen Markt in die Knie zwingen. Dies spiegelt sich in der Preispolitik von Shows, Workshops und Kursen genauso wieder wie in der Wertigkeit mit der gegenüber von urbanen Tänzern gehandelt und argumentiert wird. Dies bestätigen vor allem auch viele Gruppierungen und Einzelpersonen durch ihr unprofessionelles und laienhaftes Verhalten. Schlimm dabei ist eigentlich nur, dass nur ganz wenige Leute wissen, dass sie sich ebenso weiterbilden müssen, wie in einem normalen Beruf. Da es keine klare Struktur gibt, macht halt jeder was er will. Dies gilt nicht nur für nationale sondern auch für internationale Märkte und Szenen. In Ländern wie beispielsweise Indien ist diese urbane Kultur noch am Anfang und selbst hier entwickelt sich das Szenario ähnlich.
der-sport-blog.com: Was sind deine aktuellen Projekte?
Patrick Grigo: Ich arbeite an vielen neuen Projekten und Ansätzen und das kontinuierlich. Ich persönlich möchte durch Innovationen etwas in der Szene verändern und die Menschen zu mehr Bewusstsein auffordern. Dazu veranstalten wir eigene Tanzfestivals, Kongresse, Schul- und Jugendprojekte, Workshops und Seminare für Pädagogen und Tanzlehrer sowie nachhaltige Projekte und Forschungsanwendungen. Hier ein kleiner Überblick: + Eve Dance Convention (www.evedance.de) + Summerskillz Dance Festival (www.summerskillz.de) + Hip Hop Kidz Festival (www.salzburg-hiphop.at) + Urban Dance Congress (www.urban-dance-congress.com) + youClub Schul- und Jugendprojekte (www.you-club.net) + und mehr auf www.movetoohot.com + oder unter www.patrickgrigo.de Um dem aktuellen Mangel an qualifizierten Ausbildungsprogrammen entgegen zu wirken, habe ich gemeinsam mit einigen Legenden und professionellen Tanzpädagogen der Urban Dance Szene ein neuartiges Ausbildungsprogramm für urbanen Tanz entwickelt, das ab September 2014 in der ersten Urban Dance Academy im deutschsprachigen Raum startet. Mehr dazu gibt es ab September unter: www.urban-dance-academy.com
der-sport-blog.com: Was rätst du Kindern/Jugendlichen/Erwachsenen, die sich für’s Tanzen interessieren? Was für Ausbildungsmöglichkeiten gibt es (bei dir)?
Patrick Grigo: Wie bereits im vorhergehenden Absatz erwähnt erarbeiten wir gerade Optionen eines Ausbildungsprogramms, aber auch an vielseitigen Möglichkeiten der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. In meinen Tanzschulen und den Standorten von movetoohot in Deutschland und Österreich können junge Menschen methodisch und didaktisch lernen wie urbaner Tanz funktioniert. Wir bieten zudem ausreichende Möglichkeiten das Wissen in speziellen Workshops, bei Tanzfestivals und Tanzreisen, Meisterschaften und Nachwuchsbattles zu erweitern. Vertreten sind wir in Deutschland (Burghausen, Altötting, Freilassing und Eggenfelden) sowie in Österreich (Salzburg, Gmunden, Schwanenstadt, Linz und Vöcklabruck). Informationen dazu gibt es unter: Webseite (Deutschland): www.movetoohot.de Webseite (Österreich): www.movetoohot.at Über unsere neue Ticketplattform haben Interessierte auch die Möglichkeit verschiedene Workshops, Shows und Tanzreisen zu buchen … www.mth-tickets.com Alles in allem empfehle ich jedoch jedem der etwas lernen möchte zu reisen. Am besten lernt man von vielen Leuten und hört sich unterschiedliche Einstellungen, Sichtweisen und Ansätze an und kombiniert diese dann zu einer ganz eigenen Methode. Vielen Dank für’s lesen!
Titelbild: Michael FerschTags:Tanzen